Unser nächster Stopp ging in die heilige Stadt am Ganges. Eine etwa 14 stündige Zugfahrt brachte uns über Nacht von Agra nach Varanasi.
Varanasi gilt als Stadt des Gottes Shiva Vishwanat („Oberster Herr der Welt“) und als eine der heiligsten Stätten des Hinduismus. Seit mehr als 2.500 Jahren pilgern jede Menge Gläubige in die Stadt am Ganges, oder dem Ganga, wie ihn die Inder nennen. Als besonders erstrebenswert gilt es für strenggläubige Hindus, in Varanasi im Ganges zu baden, um sich von ihren Sünden rein zu waschen sowie dort einmal zu sterben und verbrannt zu werden. Entlang des Flusses ziehen sich kilometerlange stufenartige Uferbefestigungen hin, die Ghats. Während in einem Ghat die Gläubigen im Wasser baden und ihre Wäsche waschen, werden wenige Meter weiter im nächsten Ghat die Leichen der Verstorbenen verbrannt. Die Asche streut man anschließend auch ins Wasser. In Varanasi zu sterben und verbrannt zu werden, ist der hinduistischen Mythologie zufolge, der Ausbruch aus dem ständigen Kreislauf der Wiedergeburt und befördert einen direkt ins Nirwana.
Der Ganges selber ist einer der schmutzigsten Flüsse der Welt. Jeden Tag werden die Abwässer, der am Fluss liegenden Städte, in den Ganges gepumpt. Die Belastung durch Kolibakterien ist 2000-mal höher als in Indien erlaubt. Für uns war es also erstrebenswert bloß nicht mit der Brühe in Kontakt zu kommen. Wie der Fluss gleichzeitig so verehrt und so verschmutzt werden kann, ist uns ein Rätsel.
Nach unserer guten Erfahrung in dem Zostel in Agra, einer Hostelkette in Indien, checkten wir auch in dieser Stadt wieder dort ein. Es ist besonders für Backpacker zugeschnitten und versorgt einen mit zuverlässigen Informationen und unterstützt bei Buchungen von Touren.
Nachdem wir uns ein wenig ausgeruht hatten, machten wir uns auf, die Stadt und vor allem den Ganges und die Gaths ein wenig zu erkunden. Vom Dasasvamedh Ghat, dem der Ruf der höchsten Heiligkeit nachgesagt wird, gingen wir bis zum kleinen „burning ghat“. Dieses ist eins von zwei „burning ghats“ an denen die Verstorbenen verbrannt werden. Das geschieht da ganz öffentlich am Ufer und man kann einfach dabei zu schauen. Nur das Fotografieren ist dort untersagt. Ein Mann der dort arbeitet, erklärte uns einiges über die Verbrennungszeremonie und wollte uns später – war klar- irgendwas andrehen bzw. uns das Geld aus der Tasche ziehen. Merkwürdiges Verhalten an einem ihm solch heiligen Ort. Pro Person sind es wohl ca. 350 Kilo Holz, die nötig sind um die Leiche zu verbrennen. Die Leichen werden auf einer Bambusholztrage in Tüchern gewickelt zum Ganges herunter getragen und ein letztes Mal rein gewaschen. Nach einer Trocknungsphase werden einige der Verzierungen sowie die Trage beseitigt. Die anwesenden männlichen Familienangehörigen, von denen ein enger Verwandter auf dem Kopf rasiert und in weiß gekleidet wird, legen den Leichnam auf die gestapelten Holzscheite. Einer von Ihnen entzündet den/die Verstorbene/n mit einem Feuer, das er zuvor an der ewigen Flamme geholt hat. Man erklärte uns auch, dass indische Frauen, besonders Angehörige, aus zwei Gründen nicht anwesend sein dürfen. Zum einen würden sie nur weinen und damit der Seele es erschweren ins Nirwana zu gelangen und zum anderen hätten sich bereits zu viele aus Trauer in die Flammen gestürzt. Schwangere, Kinder, Behinderte, von einer Kobra Gebissene und Menschen unterster Kasten die es sich nicht leisten können, bekommen lediglich einen großen Stein um den Bauch gebunden, werden hinaus auf den Ganges gefahren und dort versenkt. Der Kostenpunkt für eine große Zeremonie mit allem drum und dran kostet wohl 10.000 Rs. Es gibt aber auch günstigere Varianten, für ärmere Menschen. Ganz armen Menschen wir es auch ermöglicht dort verbrannt zu werden durch den Verkauf vom Schmuck, Goldzähnen etc. die bei der Verbrennung übrig geblieben sind.
Etwas abseits kann man sich in einer kleinen Bude mit Chips und Cola eindecken und sich die Verbrennungen ansehen. Für uns etwas makaber. Wir waren ja schon etwas nervös auf dem Weg dorthin. Daneben zu stehen und zuzuschauen war zwar etwas komisch, aber gar nicht so schlimm wie befürchtet. Der Vorgang dort ist sehr unemotional und fühlte sich für uns irgendwie unwirklich an. Für die Hindus bedeutet der Tod eben was anders als für uns. Auch der Geruch war nicht so krass wie erwartet. Die Häuser ringsum das Ghat tragen viel mehr zur „gedrückten“ Atmosphäre hinzu als die Feuer.
An unserem Ausgangspunkt, dem Dasasvamedh Ghat, konnten wir am Abend noch einer hinduistischen Zeremonie „Ganga Aarti“ beiwohnen, die jeden Abend dort abgehalten wird. Das „rituelle Feueropfer“ wirkte auf uns nicht besonders spirituell und war für uns nicht spannend. Nach einer ¾ h konnten wir auch nicht mehr auf den unbequemen Treppenstufen sitzen, sodass wir kurz vor Ende das Tourispektakel hinter uns ließen.
Für den nächsten Morgen zum Sonnenaufgang hatten wir eine Bootsfahrt auf den Ganges gebucht. Also machten wir uns mit vier weiteren aus unserem Zostel um viertel nach 5 auf den Weg zu den Ghats. (Mal wieder nichts mit ausschlafen ^^) Vom Boot aus, konnten wir dann gut den ganzen Gläubigen bei ihrem Waschritual im Ganges zusehen. Der Sonnenaufgang am gegenüberliegenden Ufer war ein wundervoller Anblick.
Am Nachmittag machten wir uns dann noch einmal auf, das zweite „burning ghat“ zu besuchen. Dort werden ausschließlich Hinduisten verbrannt, während an dem anderen auch weitere Religionsangehörige ihre letzte Ruhe finden können. An diesem Ghat gibt es 15 Feuerstellen, an denen am Tag ca. 300 Menschen aus ganz Indien verbrannt werden.
Ansonsten ist die Stadt wieder eine Spur extremer als die Städte, die wir vorher gesehen haben. Noch mehr Verkehr, Lärm, Gestank, Menschen, Kühe und deren Hinterlassenschaften.
Wenn ihr einen kleinen, aber lustigen Eindruck von Varanasi bekommen wollt, guckt euch mal das Video von Joko gegen Klaas an 😉